Pilotprojekt: Badenova für umweltbewusste Energielösung
Nachhaltigkeit steht für Badenova an erster Stelle, und dank der Lage im sonnigen Breisgau ist der Anteil an erneuerbaren Energien, der ins Netz des regionalen Energieversorgers fließt, hoch. Das wetterbedingte Ungleichgewicht zwischen Energieerzeugung und -verbrauch auszugleichen, stellt das Unternehmen jedoch vor Herausforderungen. In einem Pilotprojekt testete das Unternehmen daher den Einsatz von Redox-Flow-Batterien.
In unserem TechTalk mit Schunk Experte Dr. Hartmut Groß erzählt Business Developer Dr. Malte Thoma von Badenova, was diese Speichertechnologie für Energieversorger interessant macht, wo die Vorteile gegenüber Lithium-Ionen-Batterien liegen und wie Schunk als Hersteller von Graphit-Bipolarplatten zur Entwicklung dieser Technologie beitragen kann.
Unsere Experten
Über Dr. Malte Thoma
Dr. Malte Thoma ist Teamleader Business Development bei der Badenova AG. Nach seinem Studium der Elektrotechnik in Karlsruhe promovierte er mit einer Arbeit zum Thema Smart Grids an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich. Er verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Energiewirtschaft.
Über Dr. Hartmut Gross
Als Director New Business & Technology trägt Dr. Hartmut Groß mit seinem Team maßgeblich zur Entwicklung neuer Lösungen für Schunk bei. Ein Fokus seiner Arbeit liegt dabei auf Energiespeichern. Promoviert hat Hartmut Groß in Physik. Seitdem setzt er seine Vision um, Geschäft aus Neuen Technologien zu generieren, insbesondere im Bereich der Erneuerbaren Energien.
Interview
Herr Dr. Thoma, Sie arbeiten für den Energieversorger Badenova. Was ist Ihr Interesse an stationären Speicherlösungen?
Malte Thoma: Badenova ist ein regionaler Energieversorger mit Sitz in Freiburg. Für uns ist Nachhaltigkeit nicht nur ein Label, sondern ein echter Geschäftsfaktor. Aufgrund unserer geografischen Lage wächst der Anteil an erneuerbaren Energiequellen in unserem Netz mehr und mehr, vor allem aus Photovoltaikanlagen. Der Erhalt einer stabilen Energieversorgung ist für uns eine große Herausforderung. Bei Badenova sind wir zu dem Schluss gekommen, dass stationäre Batteriespeicher hilfreich sein können, um diese zu gewährleisten. Es geht uns hierbei vor allem um die Spannungshaltung im Netz sowie um die Vermeidung von Überlastungen, ohne Photovoltaik-Anlagen abschalten zu müssen. Im Rahmen unseres Pilotprojekts haben wir daher bereits stationäre Speicherlösungen im Einsatz.
Herr Dr. Groß, warum interessiert sich Schunk für stationäre Speicherlösungen?
Hartmut Groß: Ich war viele Jahre lang Insider der Photovoltaikbranche und habe schon vor Jahren erkannt, dass der zunehmende Erfolg der erneuerbaren Energien Energiespeicherlösungen im großen Stil erfordert. Schunk will mit Schlüsselkomponenten wie graphitbasierten Bipolarplatten für Redox-Flow-Batterien einen Beitrag zu diesem Bedarf leisten.
Herr Dr. Thoma, warum beschäftigen Sie sich im Hinblick auf Ihr Projekt gerade mit Redox-Flow-Batterien?
Malte Thoma: In unserer Region, dem sonnigen Südwesten Deutschlands, ist die Photovoltaik die dominierende erneuerbare Energiequelle. Wir haben über 3.000 Photovoltaikanlagen in unserem Netz. Das heißt, wir haben keine konstante Energieproduktion, sondern eine sehr hohe an sonnigen Tagen, eine geringe bei Bewölkung und gar keine in der Nacht. Auch im Laufe des Tages kommt es abhängig von der Bewölkung zu schnellen und sehr starken Schwankungen. Dieses Ungleichgewicht zwischen Produktion und Verbrauch muss ausgeglichen werden, und genau das ist unsere Aufgabe als Energieversorger. Unsere zweite Herausforderung ist, dass unser Stromnetz vor Jahrzehnten gebaut wurde, als Photovoltaik noch gar keine Rolle gespielt hat. Das bedeutet, dass das Netz in weiten Teilen gar nicht auf dezentrale Energiegewinnung ausgelegt ist. Wir testen daher neben dem klassischen Netzausbau auch fortschrittliche und intelligente Ansätze, um diese Herausforderungen anzugehen.
Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um? Was ist Ihre Lösung?
Malte Thoma: Wir haben 2019 mit einem Pilotprojekt begonnen und insgesamt sechs Anforderungen an eine Speicherlösung definiert:
- Hohe Zuverlässigkeit
- Geringer Wartungsaufwand, um Servicekosten zu sparen
- Lange Lebensdauer (20.000 Lade- und Entladezyklen bei einer Lebensdauer von 20 Jahren und länger)
- Feuersicherheit, um flexibel bei den Aufstellungsorten zu sein
- Wettbewerbsfähige Lebenszykluskosten.
Am Ende haben wir uns gegen die Lithium-Ionen-Technologie und für eine Redox-Flow-Batterie des regionalen Anbieters Storion Energy entschieden. Mittlerweile schauen wir auf zwei Jahre Betriebserfahrung mit dieser Technologie zurück.
Hartmut Groß: Vor dem Hintergrund, dass Batterielösungen stark von Lithium-Ionen-Batterien dominiert zu werden scheinen, ist das eine sehr interessante Entscheidung. Ich habe zum Beispiel gerade erfahren, dass der größte Batteriespeicher mit einer Kapazität von 400 Megawattstunden mit Lithium-Ionen-Zellen ausgestattet ist.
Auch unser größter Produktionsstandort in Heuchelheim mit rund 2000 Beschäftigten hat vor kurzem einen Batteriespeicher zur Lastspitzenkappung installiert und musste eine Lithium-Ionen-Lösung anschaffen, da derzeit keine adäquaten kommerziellen Lösungen für Redox-Flow-Batterien angeboten werden.
Herr Dr. Thoma, warum denken Sie, dass der Anteil der Redox-Flow-Batterien weiter zunehmen wird, obwohl Lithium-Ionen-Batterien beliebter sind?
Malte Thoma: Ja, Lithium-Ionen-Lösungen dominieren tatsächlich den Markt, da sie aus dem Bereich der boomenden Elektromobilität kommen. Aber wir müssen unsere zuvor genannten Anforderungen an Nachhaltigkeit berücksichtigen. Lithium-Ionen-Batterien bestehen aus Materialien wie Kobalt, Lithium, Mangan oder Phosphor. Für unser Unternehmen wird die Ethik hinter dem Abbau und dem Herstellungsprozess der Rohstoffe immer wichtiger. Lithium-Ionen-Batterien sind außerdem schwer zu recyceln. Es gibt keine überzeugende Lösung, um die Rohstoffe wirtschaftlich und nachhaltig zu trennen. Die Zweitverwendung von Batteriezellen in stationären Speichern verlagert das Problem nur. Von einer echten Kreislaufwirtschaft sind wir in diesem Bereich weit entfernt. Darüber hinaus haben Lithium-Ionen-Batterien ein nicht ganz zu vernachlässigendes Brandproblem, was für die öffentliche Akzeptanz nicht förderlich ist.
Und wie sieht es mit der Lebensdauer der Batterien aus?
Malte Thoma: Ja, das ist eine gute Frage. Jeder weiß, dass Lithium-Ionen-Akkus nicht zu 100 Prozent entladen werden können und dass die verfügbare Kapazität über die Jahre deutlich abnimmt. Die Lebensdauer jeder Zelle ist auf insgesamt nicht mehr als etwa 3000 Lade-/Entladezyklen begrenzt, was in unserem Fall schon nach sieben bis acht Jahren erschöpft sein könnte. Dann bliebe nichts anderes übrig, als eine viel geringere Speicherkapazität mit Degradation der Zellen zu akzeptieren oder die alten Zellen zu ersetzen. Wir wollten aber eine Lebensdauer von 20 Jahren oder mehr.
Interessant zu wissen. Und was sind damit aus Ihrer Sicht die Vorteile von Redox-Flow-Batterien?
Malte Thoma: Redox-Flow-Batterien haben viele Vorteile:
- Sie können zu 100 Prozent entladen werden.
- Sie sind brandschutztechnisch sicher, da sie zu circa 80 Prozent aus Wasser bestehen.
- Das im Elektrolyt eingesetzte Vanadium wird im Betrieb nicht verbraucht und kann am Ende der Lebensdauer zu 100 Prozent recycelt werden.
- Die Batterie selbst ist nahezu wartungsfrei.
- Leistung und Kapazität (Energiemenge) können unabhängig voneinander skaliert werden.
Aufgrund dieser Vorteile erwarte ich, dass der Marktanteil von Redox-Flow-Batterien für den stationären Einsatz steigen wird. Der Anteil an erneuerbaren Energien wird wachsen und somit auch die Nachfrage nach Speichermöglichkeiten. In diesem großen Markt wird es Nischen für Lithium-Ionen-, Redox-Flow- und Wasserstoff-Technologie geben – immer abhängig von der Anwendung und ihrem Umfang. Zudem erwarte ich, dass mit steigender Nachfrage und der Herstellung in größerem Maßstab der Preis pro installierter Megawattstunde deutlich fallen wird. Ähnlich wie wir es in den letzten Jahren bereits bei Lithium-Ionen-Batterien gesehen haben.
Hartmut Groß: Das ist ein guter Punkt für uns bei Schunk. Wir sind Lieferant für Graphit-Bipolarplatten. Als eine der Schlüsselkomponenten des Stacks bestimmt sie die Leistungsdichte des Systems. Unser Material ist bereits von mehreren Redox-Flow-Batterieherstellern qualifiziert und hat sich bereits seit 20 Jahren für Brennstoffzellenanwendungen bewährt.
Für Pilotprojekte liefern wir Rohplatten unserer formgepressten Sorte, und die Kunden bearbeiten die endgültige Form. Für eine Serienproduktion können wir kundenspezifische Presswerkzeuge einsetzen, was die Nachbearbeitung und die Materialverluste durch die mechanische Bearbeitung aus größeren Rohplatten erspart.
So funktioniert eine Redox-Flow-Batterie
Malte Thoma: Die Senkung der Produktionskosten der Stack-Komponenten ist notwendig und geht mit der Skalierung der Produktion einher. Eine weitere Möglichkeit ist, die Stacks effizienter zu machen, das heißt mehr Leistung für dasselbe Geld. Was ist der Beitrag von Schunk in dieser Hinsicht?
Hartmut Groß: Das Design des Stacks und die Technologie selbst liegen in der Verantwortung unserer Kunden. Wir wissen aber sehr genau, welche Rolle die Bipolarplatte und ihre Materialeigenschaften im Zusammenspiel mit den Elektrodenmaterialien sowie dem Elektrolyten und der Membran spielen. In gemeinsamen Entwicklungsprojekten, die teilweise mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, optimieren wir das Stack-Design und passen das Material der Graphit-Bipolarplatte entsprechend an. Besonders der Übergangswiderstand oder die bessere elektrische Leitfähigkeit der Bipolarplatte sind Gegenstand aktueller Entwicklungen.
Herr Dr. Groß, wie beraten Sie Ihre Kunden?
Hartmut Groß: Schunk bietet verschiedene Graphitwerkstoffe an. Zum einen gibt es das duroplastisch gebundene Material wie in unseren Brennstoffzellenanwendungen. Zum anderen haben wir ein thermoplastisch gebundenes Graphitmaterial entwickelt. Dieses hat den Vorteil, dass es inline im kontinuierlichen Extrusionsverfahren hergestellt werden kann und als dünne Folien als Rollenware vorliegt. Bei Bedarf wird es bis zu Quadratmeter Größe konfektioniert. Das thermoplastische Material erlaubt auch das Verschweißen der Folie mit dem Rahmen des Stacks, ohne dass eine zusätzliche Abdichtung erforderlich ist. Das macht das Produkt kostenmäßig attraktiv.
Der Nachteil dieser Werkstofflösung ist, dass die Auswirkung auf den Flächenwiderstand um einiges höher ist im Vergleich zu unserem duroplastisch gebundenen Produkt. Das ist der Grund, warum wir intensiv an kleineren Übergangswiderständen arbeiten.
Wie wählen die Hersteller von Redox-Flow-Stacks die Materialien von Schunk aus? Gibt es Unternehmen, die beide Sorten in einem Stack verwenden?
Hartmut Groß: Nicht wirklich. Die meisten unserer Kunden folgen einer bestimmten Design-Philosophie. Entweder wollen sie Zellen mit hoher Leistungsdichte herstellen - dann benötigen sie eine hohe Leitfähigkeit und einen niedrigen Widerstand. Solche Kunden verwenden unser duroplastisches, formgepresstes Material.
Andere Kunden geben sich mit einer mittleren Leistungsdichte zufrieden, zum Beispiel mit weniger als 200 mW/cm² statt 400 bis 600 mW/cm² und setzen auf große Zellfläche und niedrige Kosten. Für diese Kunden ist unsere flexible, extrudierte Folie eine attraktive Lösung. Sie hat sich in elektrochemischen Tests schon bewährt.
Herr Dr. Thoma, kommen wir zurück zu Ihrem Pilotprojekt. Wie sind Ihre bisherigen Erfahrungen mit Redox-Flow-Batterien? Werden Sie in Zukunft mehr Bedarf haben? Was sind die nächsten Schritte?
Malte Thoma: Das Pilotprojekt haben wir erfolgreich abgeschlossen. Wir hatten keine Probleme im Betrieb und wir sehen den Nutzen.
Wir sind nun in die nächste Phase eingetreten und sind dabei, mit diversen interessierten Stromkunden Batterieprojekte zu entwickeln. Leider kann ich dazu heute noch nichts Konkretes verraten. Aber es ist klar, dass Redox-Flow-Batterien in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen werden.
Herr Dr. Thoma, welche Empfehlung haben Sie für einen Komponentenlieferanten wie Schunk, wenn es um weitere zukünftige stationäre Energielösungen geht?
Malte Thoma: Meiner Meinung nach sind Redox-Flow-Batterien eine großartige technische Lösung für stationäre Anwendungen mit Vorteilen gegenüber anderen Technologien. Allerdings sind die LCOE, die Levelized Cost of Energy, einer der wichtigsten Entscheidungsfaktoren jetzt und in Zukunft. Ich empfehle den Systemherstellern dringend, eng mit allen Komponentenherstellern zusammenzuarbeiten, um zuverlässige und kostengünstige Lösungen zu entwickeln und anzubieten. Dann habe ich keinen Zweifel, dass Redox-Flow-Batterien eine bedeutende Rolle in der zukünftigen Energieindustrie spielen werden.
Vielen Dank, Herr Dr. Thoma. Herr Dr. Groß, möchten Sie noch etwas hinzufügen?
Hartmut Groß: Ich glaube, wir haben die wichtigsten Argumente herausgearbeitet und können sagen, dass Redox-Flow-Batterien einen entscheidenden Teil des zukünftigen Energiemixes spielen werden - vorausgesetzt dass,
- die Leistung der Batterien wettbewerbsfähig ist,
- die Systeme über die Lebensdauer zuverlässig sind und wenig Wartung erfordern,
- der Betrieb kostengünstig ist und der CAPEX, die Kosten pro Megawattstunde/Anlage, wettbewerbsfähig ist.
Die Schunk Graphit-Materialien gewährleisten die hohe Leistung und lange Lebensdauer. Die Kosten werden mit dem Volumen, das heißt Stückzahlen, und der Erfahrung in der Massenproduktion sinken. Schunk ist auch bereit, weiter in das Wachstum zu investieren, indem bei Bedarf zusätzliche Produktionslinien eingerichtet werden.
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